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Die Euro-Krise und ihre Politik des Grauens - Update November 2011 |
Die Währungsunion verkommt zur Zombie-Union. Am 26. Oktober 2011 haben sich die Staats- und Regierungschefs getroffen, um alle Versprechen zu brechen, die sie Wählern in den vergangenen Monaten gegeben haben! Der Schuldenschnitt und der Rettungsfonds mit Superhebel wurden verabschiedet. Keine Woche später ist der Katzenjammer groß. Das von den Politikern aufgebaute Kartenhaus aus Lügen, Verschleierungs- und Verdunkelungstaktik ist in Rekordzeit zusammengebrochen. Wenn man dem Trauerspiel etwas Positives abgewinnen möchte, dann ist es der Aspekt, dass die Lügen und die Inkompetenz der Politik umgehend von den Realitäten eingeholt wurden und die Bomben nicht erst dann platzen, wenn die verantwortlichen Politiker ihren Ruhestand auf irgendeiner Insel in der Karibik mit Hilfe ihrer unverschämten Pensionen genießen. Wir haben in Wirklichkeit keine Verschuldungskrise und auch keine Eurokrise, sondern eine Politikerkrise. Noch nie konnten Politiker sparen, geschweige denn einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren, nicht einmal in dem Jahr, als die deutsche Regierung von einem unverhofften 100 Mrd. Euro Geldregen durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen überrascht wurde. Gerade die aktuelle Ausweitung des Euro-Rettungsschirms hat dies in aller Deutlichkeit gezeigt: Ausschalten der Märkte, Verschleierung der wahren Verhältnisse und eine Gängelung der Europäischen Zentralbank standen hier im Mittelpunkt des politischen Handelns. Die Konsequenzen: Vergemeinschaftung und Geldentwertung bis zum bitteren Ende. Politiker bekämpfen gerne den Markt oder die bösen Spekulanten. Den Markt kann man aber nicht bekämpfen. Er ist eigentlich nur das Fieberthermometer, das anzeigt, dass es eine Krankheit gibt. Er ist aber nicht der Grund für die Krankheit. Den Brandmelder abschalten wäre so, als ob der Arzt das Fieberthermometer zertrümmert, weil ihm das Ergebnis nicht passt. So haben die europäischen Politiker entgegen des Maastrichter Vertrages die Staatsschulden nicht begrenzt, sondern verdoppelt. Lediglich fünf der insgesamt 17 Euro-Staaten liegen unter der 60-Prozent-Grenze; nur vier Staaten liegen unter der Norm. Zudem wurde das Bail-out-Verbot gebrochen und – last but not least: Die Europäische Zentralbank ist heute nicht länger unabhängig, sondern zur Bad Bank für notleidende Staaten geworden. Damit ist die zu Beginn des Euros insbesondere in Deutschland so hoch und heilig zugesagte Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank als Nachfolgerin der bei der Inflationsbekämpfung erfolgreichen Deutschen Bundesbank inzwischen nicht mehr gegeben. Das ist gerade auf mittlere und lange Sicht hochgefährlich, weil die Politik immer den für sie leichtesten Weg beschreitet, und der heißt in diesem Fall Geld drucken und deutlich höhere Inflationsraten. So ist auch der Euro-Rettungsschirm kaum mehr als Augenwischerei. Dieser Rettungsschirm rettet nicht den Euro, sondern die überschuldeten Euro-Staaten vor dem Zusammenbruch. Somit kann dieses Maßnahmenpaket keine nachhaltige Lösung der Staatsschuldenkrise darstellen. Zu hohe Schulden können nicht einfach mit noch höheren Schulden therapiert werden. Die Lösung des Problems wird nur in die Zukunft verschoben – eine Zukunft, in der es riesige Schuldenberge geben wird, die entweder durch Inflation oder durch einen massiven Schuldenschnitt abgetragen werden. Dies geht dann mit einer Belastung der Bürger und Sparer einher, die dadurch gleichsam enteignet werden. Der griechische Schuldenschnitt und der Rettungsschirm samt Hebel (des Grauens) wurden von den Finanzmärkten und der Politik als der große Wurf gefeiert. Die in Aussicht gestellten Hebelungsinstrumente ähneln in ihrer Ausgestaltung denen, die die Krise 2008 durch gut verpackte aber minderwertige Hypothekendarlehen mitbegründet haben, weil sie die Risiken kaschiert haben. Seit nun schon 40 Jahren spekulieren unsere Politiker auf immer neue Kredite, zukünftig darf auch noch gehebelt werden. Ungläubig habe ich die ganze Euphorie verfolgt, denn die Ergebnisse im Detail betrachtet sind geradezu lächerlich. Tatsächlich mussten Merkel & Co. tief in die Zuckerdose greifen, um Ackermann & Co. zum Mitmachen zu bewegen. Zieht man von den 100 Milliarden Euro, die von der Finanzbranche getragen werden sollen, die 30 Milliarden Euro staatliche Garantien ab und bedenkt auch noch, dass die griechischen Banken nach dem "hair-cut" mit europäischen Mitteln gestützt werden müssen, reduziert sich die Beteiligung des Privatsektors wieder deutlich. Auch die im Vorfeld des Gipfels hochumstrittene Hebelung des Rettungsschirms EFSF ist bislang nur ein Hoffnungswert. Ob die "Feuerkraft" der Fazilität auf über eine Billion Euro angehoben werden kann, liegt letztendlich bei den Investoren. Sie entscheiden darüber, ob eine staatliche Versicherung von vielleicht 20 Prozent des Nominalwerts ausreicht, um ihnen den Kauf von italienischen oder spanischen Staatsanleihen wieder schmackhaft zu machen. Sie werden entsprechende Risikoaufschläge in Form eines Zinszuschlages oder andere Gegenleistungen verlangen. Auch die vielfältigen Bemühungen der fiskalpolitischen Zusammenarbeit und Überwachung schaffen noch nicht die wirtschaftliche Konvergenz, die für eine Gemeinschaftswährung notwendig ist. Die Gretchenfrage für Europa bleibt, ob so unterschiedliche Länder wie Griechenland und Deutschland dauerhaft in einer Währungsunion zusammengebunden werden können, ohne dass es zu dramatischen Ungleichgewichten kommt, die nur durch einen weitaus stärkeren Finanzausgleich innerhalb Europas wieder behoben werden können. Will man Europa aus politischen Gründen zusammenhalten, wird man um eine Transferunion nicht herumkommen. Die Regierungschefs haben diese Frage nur vertagt, entkommen können sie ihr nicht. Auch nach dem nun schon 21. EU-Krisen-Gipfel bleibt die künftige Architektur der Währungsunion weiterhin unklar. Die Verträge und Verfassungen sehen ultimativ eigenverantwortliche Staaten vor, eine Haftungsgemeinschaft ist ausgeschlossen. Nicht zuletzt mit den Gipfelbeschlüssen werden Risiken aber zunehmend vergemeinschaftet, während die Finanzpolitik trotz neu geschaffener Institutionen und Überwachungsmechanismen in nationaler Hand bleibt. Das Vertrauen in die Stabilität der Währungsunion hängt aber nicht zuletzt davon ab, dass dieser innere Widerspruch aufgelöst und ein stabiler institutioneller Rahmen der Währungsunion geschaffen wird. Griechenlands Staatsschulden betragen heute über 360 Mrd. Euro (ohne Target-Kredite). Griechische Staatsanleihen waren 2009 noch zu 100 % in privater Hand. Jetzt, wo man sich auf den Schuldenschnitt einigen will, liegen nur noch 40 % der griechischen Staatsanleihen in privater Hand und 60 % befinden sich inzwischen bei der EZB, dem IWF und der EU, also bei dem europäischen, insbesondere dem deutschen Steuerzahler. TOLL! Nur die Schulden der privaten Gläubiger sollen halbiert werden. In Griechenland soll deshalb die Staatsverschuldung nur auf 120 % der Wirtschaftsleistung zurückgeführt werden. Damit wird die Schuldenuhr gerade mal auf das Jahr 2009 zurückgestellt. Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes ist damit keinesfalls wieder hergestellt. Die Finanzindustrie und deren Politiker dürften sich zu früh gefreut haben. Die Nachricht, dass Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine Volksabstimmung über das Rettungspaket für Griechenland abhalten will, hat die Finanzmärkte gestern wieder abstürzen lassen. Aber wirklich überraschend ist dieses Vorhaben nicht. Das Papandreou sein Volk direkt befragen will, kann man ihm angesichts der beispiellosen Opfer, die er von den Griechen verlangt, kaum übel nehmen. Mit der Ankündigung eines Referendums verfolgt die griechische Regierung zwei Ziele. Das erste Ziel ist innenpolitischer Natur. Das Referendum soll die griechische Bevölkerung und die politische Opposition zwingen, sich ernsthaft mit den wirtschaftlichen Realitäten auseinanderzusetzen. Dass dies bislang noch nicht geschehen ist, lässt sich daran erkennen, dass nach Meinungsumfragen zwar mehr als 70 Prozent der Bevölkerung für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone sind, aber fast ebenso viele das Rettungsprogramm ablehnen. Stimmen die Griechen der Rosskur zu, erhält der Euro-Rettungsplan die demokratische Legitimation, die er benötigt, um tatsächlich Vertrauen zu schaffen und nicht nur Illusionen zu wecken. Mit einem Ja der Bevölkerung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland sein Steuersystem reformiert, die Staatsausgaben verringert und die öffentlichen Haushalte saniert. Nicht alles wird schnell und reibungslos verlaufen, aber zumindest die Richtung wird stimmen. Dann haben Steuerzahler in den Euro-Länder und Investoren aus aller Welt mehr Sicherheit, dass man mit Krediten für Griechenland nicht gutes, neues Geld altem, schlechtem hinterherwirft. Das wäre ein wichtiger erster Schritt auf einem langen Weg der Besserung. Ein Ja der Griechen wäre somit für die übrigen Euro-Länder eine Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Die Ansteckungsgefahren für andere überschuldete Euro-Staaten bleiben zwar bestehen, aber sie würden geringer. Denn wenn es selbst Griechenland, das am stärksten verschuldete und am härtesten von der Rezession getroffene Land, schafft, die Bevölkerung auf Reformkurs zu bringen, dann müsste das in Irland, Portugal, Spanien und Italien erst recht möglich sein. Ein Nein der Griechen zerstört aber in jedem Fall die Hilfsbereitschaft in den Geberländern. Somit wird es keine neuen Kredite mehr geben. Eine ungeordnete Insolvenz wäre die Konsequenz. Für Griechenlands Wachstum und Beschäftigung wären die Folgen eine Katastrophe. Ein Nein der Griechen würde kurzfristig die Nervosität vergrößern, so wie das in den letzten Tagen bereits der Fall war. Doch dafür besteht eigentlich wenig Grund. Wenn es die frei gewählte Entscheidung der Griechen sein sollte, die Staatspleite und ihre Folgewirkungen zu akzeptieren, bleibt das zwar für alle Euro-Länder nicht kostenlos, aber wegen der geringen Größe Griechenlands wären die Abschreibungen verkraftbar. Auch die Ansteckungsgefahr für andere Euro-Staaten würde geringer, denn die Spielregeln wären nun klar. Auch in Portugal, Irland, Spanien und Italien wüsste die Bevölkerung, dass sie früher oder später Farbe bekennen muss. Das griechische Beispiel der Reformverweigerung würde allen klarmachen, welche Folgekosten mit einer Ablehnung der helfenden europäischen Hand verbunden sind. Das müsste eigentlich Abschreckung genug sein und sollte in den überschuldeten Euro-Ländern eher zu einer Zustimmung zur "Hilfe gegen Auflagen" führen. Mit dem griechischen Referendum wird der Euro somit - unabhängig von der Entscheidung der Griechen - stabilisiert, nicht gefährdet. Dafür gebührt Papandreou Lob, nicht Prügel. Das zweite Ziel besteht darin, die noch laufenden Verhandlungen über die Gestaltung des Griechenland-Programms zu beeinflussen oder, wenn dies nicht gelingt, nach der Ablehnung des Programms durch die griechische Bevölkerung neu zu verhandeln. Derzeit bietet das Programm dem Land die Aussicht auf ein Jahrzehnt sinkender Löhne (schon jetzt soll sich beispielsweise das Gehalt einer griechischen Lehrerin von 1.020 Euro auf nur noch 575 Euro fast halbieren), hoher Arbeitslosigkeit und massiver Einschränkungen bei allen öffentlichen Leistungen. Besitzstände einflussreicher Interessengruppen werden angegriffen. Bislang privilegierte Beschäftigte des öffentlichen Sektors müssen Einschnitte hinnehmen. Und all dies wird von außen verordnet und überwacht - aus der Sicht der griechischen Bevölkerung vor allem von Deutschland. Bis zum Jahr 2020 bietet das Programm die Aussicht, dass die Staatsschuldenquote lediglich auf 120 Prozent sinkt. Das würde bedeuten, dass die Schrumpfkur weitergeht und eigentlich für die Bevölkerung auch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Griechenland hofft mit seiner Drohung, das Rettungspaket abzulehnen, bessere Konditionen durchzusetzen. Das bedeutet: Verzicht der privaten Gläubiger auf mehr als 50 Prozent der Forderungen, einen Schuldenerlass auch seitens der staatlichen Gläubiger und mehr Hilfen zu besseren Konditionen wie etwa niedrigeren Zinsen. Die Politik hat sich damit ein Armutszeugnis mehr ausgestellt. Was kann Griechenland von Argentinien lernen? Alles, was der IWF heute Griechenland vorschlägt, hatte man auch Argentinien verordnen wollen: Löhne und Renten runter, Steuern rauf - also Einsparungen auf Kosten der Bevölkerung, damit die Banken ihr Geld bekommen. Folgt man diesen Vorgaben, legt man Programme auf, welche die Interessen der Gläubiger schützen, aber nicht helfen, die Probleme des Landes zu lösen. Bei IWF und EZB haben die Finanzorganisationen das Sagen. Die Griechen sollten, wie früher Argentinien, ihr Problem selbst lösen. Auch die Argumente der Politiker, hier im speziellen Fall von Angela Merkel, werden immer peinlicher und sind an Polemik kaum noch zu überbieten. Den jüngsten EU-Beschluss zum Schuldenschnitt und zum Rettungsschirm begründete Kanzlerin Merkel damit, dass wir sonst keine Chance gegen die eine Milliarde Chinesen und die eine Milliarde Inder hätten, wenn wir in Europa nicht zusammenstehen würden. Geht es hier um Krieg oder sollte es ihr besser um Klasse statt Masse gehen? Über solche Äußerungen können Schweizer, Norweger, Kanadier oder Australier nur irritiert den Kopf schütteln. Mir sind solche Äußerungen von unserer Kanzlerin mehr als peinlich! Die Politik spricht beim Schuldenschnitt vom „freiwilligen“ Verzicht der privaten Gläubiger. Das bleibt nicht ohne Konsequenz. Viele private Gläubiger haben sich vor einem Staatsbankrott mittels Credit Default Swap (CDS, engl. für Kreditausfall-Swap) abgesichert, die jedoch bei freiwilligem Verzicht nicht einspringen. "Wenn ein CDS-Kontrakt jetzt nicht ausgelöst wird, dann ist er nichts mehr wert", kritisiert deshalb Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. "Marktwirtschaftliche Prinzipien würden außer Kraft gesetzt. Das könnte schädliche Nebenwirkungen für den gesamten Markt für Staatsanleihen haben", warnt Burghof. Wenn die Investoren keine Möglichkeit mehr hätten, sich gegen Zahlungsausfälle von Krisenstaaten effizient abzusichern, drohe die Bereitschaft nachzulassen, künftig überhaupt in Staatsanleihen zu investieren. Damit sind die erzwungenen „freiwilligen“ Umschuldungen eigentlich das Ende der CDS. Auch für Anthony Peters, Stratege von Swissinvest ist es ein Unding, dass die Besitzer von CDS-Versicherungen leer ausgehen: Das sei so, als ob eine Feuerversicherung sage: "Ja, Sie hatten in Ihrem Haus Feuer unter dem Dach, aber die Grundmauern stehen noch, deshalb bezahlen wir nichts." Die chronischen Wachstums- und Strukturschwächen der Schuldenländer werden damit nicht angepackt. Es werden weiterhin konsequent nur die Symptome behandelt. An die wirklichen Ursachen traut man sich aus wahltaktischen Gründen nicht heran. Nur wenn diese Schwächen ausgemerzt werden, hat die Euro-Zone in ihrer jetzigen Form eine Überlebenschance. Andernfalls haben wir in Kürze die nächste Schuldenkrise am Hals. Portugal, Spanien und Italien sind die nächsten Wackelkandidaten. In Spanien sind inzwischen 5 Millionen Menschen arbeitslos. Das ist eine Arbeitslosenquote von knapp 22 %. Konsolidierung, Wirtschaftswachstum und Schuldenabbau sehen anders aus. Noch sträubt sich die Regierung in Lissabon, das Wort „Schuldenschnitt“ überhaupt in den Mund zu nehmen. Viele Ökonomen erwarten, dass Portugal schon bald ein zweites Rettungsprogramm brauchen wird. In diesem und auch im kommenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung weiter deutlich zurückgehen. Noch herrscht Ruhe in Lissabon. Doch für November sind bereits Massendemonstrationen angesagt. Der Risikoaufschlag für portugiesische Staatsanleihen ist inzwischen zweistellig. Italiens Schulden sind enorm hoch. Die Inflation erreicht einen Rekordwert. Die Konditionen, zu denen sich das Land Geld leihen kann, verschlechtern sich zusehends. Die Lage Italiens ist dramatisch, da helfen keine Beschönigungen. Hier sind die Fakten: Derzeit sitzt Italien auf einem Schuldenberg von 1.900 Milliarden Euro, in den nächsten 12 Monaten werden davon 325 Milliarden Euro fällig. Entweder zahlt Italien diese Schulden zum Nennwert zurück (was es natürlich nicht kann) oder es muss auf den italienischen bzw. ausländischen Finanzmärkten Personen oder Institutionen finden, die bereit sind, Italien 325 Milliarden frisches Geld zu leihen. Diese Summe muss dann noch um die Aufnahme neuer Schulden erhöht werden. Bislang hat Italien keinen ausgeglichenen Haushalt, muss sich also mehr Geld leihen als alte Schuldtitel fällig werden. Bei 4 Prozent Neuverschuldung braucht Italien in den nächsten 12 Monaten die Summe von 390 Milliarden Euro. Auf die Altschulden zahlte Italien im Schnitt 3,6 Prozent Zinsen. Heute muss Italien 6,2 Prozent Zinsen zahlen. Tendenz weiter steigend. Im Staatshaushalt 2011 Italiens stehen geplante Zinszahlungen von 70 Milliarden Euro zu Buche. Die Märkte trauen Italien aber immer weniger. Also muss das Land immer mehr zahlen. Bliebe es nur bei dem Zinssatz von 6,2 Prozent, müsste der Finanzminister Giulio Tremonti allein für 2012 mindestens weitere 9 Milliarden Euro nur für die Zinszahlungen bereitstellen, für 2013 noch einmal weitere 25 Milliarden. Die Inflation hat den Rekordwert von 3,4 Prozent erreicht und in Folge der steigenden Zinsen müssen die Familien ihre meist mit flexiblem Zins gestalteten Hypothekenkredite teuer bezahlen. Eine dramatische Abwärtsspirale hat sich in Gang gesetzt, die man schon in Griechenland beobachten konnte. Zudem sollen die italienischen Banken nun ihr Kapital um 14 Milliarden Euro aufstocken. Doch woher nehmen, auf einem Markt, der gerade den Banken nicht traut? Es sind gerade die Bankenwerte, die im Sturzflug sind. Die 915 Parlamentarier genießen Bezüge wie kein anderes Parlament in Europa. Noch immer beziehen rund 500.000 Italiener die "Babyrenten": Bis vor wenigen Jahren konnte ein Staatsangestellter nach 19 Dienstjahren, unabhängig vom Lebensalter, in Rente gehen. Diese Renten kosten den Staat pro Jahr 5 Milliarden Euro. Eine dieser Baby-Rentnerinnen ist auch die Ehefrau des Lega Nord Bosses Umberto Bossi, der ansonsten immer bereit ist über die Verschwendung der Steuergelder herzuziehen. In diesem Falle war er aber höchst erbost, als der Parlamentspräsident Gianfranco Fini den Fall der Bossi-Ehefrau als Musterbeispiel für die Privilegien der Staatsdiener in einer TV-Sendung anprangerte. Im Brief an die Euro-Kollegen versprach Berlusconi großzügig, das Rentenalter in Italien auf 67 Jahre anzuheben. Aber das war nur ein plumper Bluff. Jeder in Italien weiß, dass das Problem gar nicht im normalen Rentenalter besteht (dessen Anhebung auf 67 Jahren ist längst beschlossen), sondern in der sogenannten Dienstalter-Rente – die aber hat Berlusconi nicht angetastet. Wer 35 Jahre lang gearbeitet, Rentenbeiträge gezahlt und 58 Jahre alt ist, darf in Rente gehen. Statistisch lebt diese Person dann noch mindestens 28 Jahre mit einer schönen Rente - ohne Abschläge. Die Taktik der Regierung Berlusconis zeichnet sich deutlich ab: Beschönigende Beschlüsse, die Europa noch ein paar Monate ruhigstellen sollen, die aber nicht wirklich die Kassenprobleme lösen und schon gar nicht die stagnierende Industrie ankurbeln. Stattdessen tiefe Schnitte im Sozialen, die zu heftigen Gegenreaktionen der bis heute sehr ruhig gebliebenen Gewerkschaften führen werden. Zusammenfassung Ich befürchte, dass uns der schlimmste Teil der aktuellen Wirtschaftskrise noch bevorsteht. Die Finanzmarktgeschichte lehrt, dass die größten politischen Gefahren erst später drohen – als Folge der Wirtschaftskrise. Ich kann hier nur wieder auf meine Buchempfehlung aus dem letzten Jahr verweisen („Nachbeben“ von Robert Reich). Wir haben die massiven politischen Eingriffe in den ökonomischen Bereinigungsprozess und vor allem die Rettung maroder Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit stets als Fehler bezeichnet. Wir favorisierten ein Ende mit Schrecken statt des politisch gewählten Schreckens ohne Ende. Ohne die leider sehr schmerzhafte Bereinigung der bestehenden Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen kann es nicht zu einer tragfähigen Erholung der Wirtschaft kommen! Die Probleme werden nicht gelöst, notwendige Problemlösungen lediglich verschoben und neue, zusätzliche Probleme geschaffen! Die aktuelle Entwicklung macht deutlich, dass unsere Einschätzung offenbar korrekt gewesen ist. Ein tragfähiger Aufschwung ist trotz des größten keynesianischen Konjunkturprogramms aller Zeiten nicht entstanden. Die nächste Rezession steht vor der Tür, und die Banken befinden sich erneut am Rande des Abgrunds. Allerdings haben wir jetzt noch das zusätzliche Problem völlig zerrütteter Staatsfinanzen, außerdem die wenig diskutierten Schwierigkeiten, die sich gerade für die relativ klein gewordene Gruppe der Sparer aus einer Nullzinspolitik ergeben, die für negativen Realzins sorgt. Die Staatsschuldenkrise ist zweifelsohne wichtig. Und marode Staatsfinanzen werden uns in den kommenden Jahren noch viel Ungemach bereiten. Die negativen Wechselwirkungen zwischen der Staatsschuldenkrise und der sich entwickelnden Rezession setzt die Abwärtsspirale in Gang. Die Finanzmarktgeschichte zeigt deutlich, dass der Wirtschaftszyklus die wichtigste Einflussgröße auf das Geschehen an den Märkten ist. Auch ohne Staatsbankrotte stehen die Signale weltweit auf Rezession. Folglich werden die Unternehmensgewinne drastisch zurückgehen, wodurch die Überbewertung der Aktienmärkte noch deutlicher sichtbar werden wird, als das bisher schon der Fall ist. Weitere Kursrückgänge scheinen deshalb unvermeidlich. Für weitere Details empfehle ich Ihnen auf unserer Internetseite (unter Publikationen) unsere Marktanalysen vom Juli, September und Oktober 2011. Ein schönes Wochenende! Heiko Kolodzik PS.: Die EZB hat inzwischen über 450 Mrd. Euro Target-Kredite an die Krisenländer verteilt, welche - vereinfacht ausgedrückt - als Kontokorrentkredit gewährt und in der EU Schuldenstatistik unter den Tisch gekehrt werden. Wenn Sie mehr über Target-Kredite erfahren möchten, können Sie bei uns weitere Details per Mail oder per Telefon ordern. |
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www.Kolodzik.de |
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